Auf Schatzfahrt. Roman.

28. Geh mir fort mit Plänen

Neunter September, unterwegs nach Rabazon

Meldung von Kazon Stadt. Der Große Durst überschreitet den Bezirk. Zeitgleich wird er aus sieben Dörfern gemeldet.

‚Meldung an alle! Ich bin ein Seher mit Kom! Ich verkünde das Ende der Ringinseln! Es sei denn, die Türme-‘ Niemand würde die Bedingung des Sehers erfahren, die Vaudekla hatten ihn aus dem Nachrichtenstrom gefiltert.

Meldung von Route sieben. Folgende Schiffe kehren um wegen erkrankter Passagiere: Sudersonne, …

Kapitän Berrzak hatte im Verband weniger zu tun als auf Alleinfahrt, er gab den Nachrichten mehr Raum. Es hieß, auf der Sudersonne wüte nicht etwa der Trinkertod, sondern der Darmkatarrh, und auf Zwergentor steppte der Hirsch, weil sich wegen der Erntezeit mehr Zwergenfrachter als sonst eingefunden hatten. Gegen Mittag war die Hollermaid verschwunden, das ausgescherte Schiff. Der gute Kapitän Holler hatte seine Route geändert, nur um in Sichtweite des rettenden Hafens doch noch von einem Weffer erwischt zu werden.

Im Gerüchtebereich des allgemeinen Kanals fluchte der Kapitän der Sudersonne auf den Schmutzfink von neuem Koch. Woanders ging es um die neuartigen Patrouillenboote der Vaudekla, drei davon sollte es geben, ausgerüstet quasi mit der Essenz eines Turmes. ‚Gespickt mit Zwergenkram, wer braucht das‘, meinte einer in der Runde. – ‚Damit spüren sie Schiffe im künstlichen Wefferfeld auf‘, sagte ein anderer. – ‚Aber nur im Verein mit den Türmen‘, warf ein dritter ein. – ‚Weil sie beweglich sind und viel näher herankommen‘, fuhr der zweite fort. Ihre Namen sagten Berrzak nichts, er hob sich heraus.

‚Meldung.‘ Ein Kapitän von Route fünf, er sprach auf der gemeinsamen Konvoi-Verbindung. ‚Schätze, da ist Ladung verrutscht auf der Maid vom Kapitän Koller. Hat sie sich anlehnen wollen, war aber nur der Weffer da.‘‚Lass ihn in Frieden‘, bekam er zur Antwort, ‚wer steckt schon gern im Weffer. Der treibt seit heut Mittag an der Küste lang, die Türme können sich nicht kümmern.‘‚Steilküste‘, sagte der erste, ,er wird klarkommen. Kennt den einer?‘‚Nie gehört.‘‚Auch nicht.‘‚Hab mal ein'n von Holzland gekannt, aber der hat nich Holler geheiß'n, und sein Schiff auch nich.‘

Vertrauter Lärm drang in das Gelächter der Kapitäne, der Smut schärfte zwei alte Messer aneinander. Angeblich dachte er dabei an die Krugwirtin. In der Wahl des Kochs war Berrzak glücklicher gewesen als jener andere Kapitän, seiner hatte Freude an der Arbeit, dem Essen merkte eins das an. Alle strebten zur Kombüse, selbst Krah kam vom Ausguck gesegelt.

Berrzak folgte ihnen, rief Pitt zu sich. „Du könntest uns morgen eine längere Geschichte hören lassen.“

„Full Ack, Kapitän. Die von Kapitän Berrgar ist ziemlich lang.“

„Verschon mich mit der Schnulze.“

„Ach bitte, Kapitän Berrzak“, sagte Homme, „ich mag die gern.“ Perri nickte dazu.

„Gut.“ Er musste ja nicht zuhören, schade drum. Pitt war kein Erzähler, aber auf seine Art verschönerte er den Fahrtenalltag wie einst Simmen mit seinen Liedern.

Kaum dämmerte es, verschwanden bis auf die Deckswache alle in den Kabinen. Ohne Geschichte wollten Berrzaks Leute nach dem Abendbrot nicht beisammenhocken, vermutlich aus Furcht, sich vor Kanda zu verplappern.

Der Knabe stellte sich nicht übel an, er zeigte bereits Ansätze von Seebeinen und schaffte was weg, war immerhin schon oft bis Rabazon gefahren, zu schweigen von der Zeit als Ruderknecht. Manche Ringleute betraten im Leben kein Kom-Schiff, weil sie seekrank wurden, oder trotz Abschirmung unter der Zwergenkraft litten. Zwergenfrachter mussten ganze Bereiche mit geeignetem Metall auskleiden und für Ringleute vorhalten-

Meldung an Route fünf. Konvoi verlangsamt, Platz zwei schert aus.

Ein Kapitän hakte nach auf dem Konvoikanal, allen wurde Antwort zuteil. Auf dem schwarzen Stoff des Bierzeltseglers war das Hiffen ins Wuchern geraten und hatte das provisorische Leitgeflecht herausgerissen. Seine Speicher würden nicht vorhalten bis Rabazon, er wurde zum nächsten Hafen gelenkt.

Nach dem Manöver beschleunigte der Verband nicht wieder auf die alte Geschwindigkeit. Berrzak musste sich nicht lange darüber wundern.

Meldung an Kapitän Berrzak. Hollermaid bittet um Beistand.

Ein Mittlander Turm. Havarie?, fragte Berrzak.

Havarie negativ, Kapitänausfall. Niemand kann dich lenken, Suchfahrt auf Sicht erforderlich.

Ohne Kapitän unterlag der Kurs Abweichungen, erzeugt durch die Fänger. Wo ungefähr befindet sie sich? Im Konvoi war Berrzaks Kom-Sicht eingeschränkt, Einzelheiten wurden ihm nur für die befahrene Route gezeigt.

Auf freier See südlich von Vorland.

Für eine Rennyacht keine Strecke, aber mit der Hundebunt würde es Nacht sein, bis er in die Gegend kam. Gesetzt den Fall, Kapitän Holler kam nicht mehr zu sich … zwei in die Kabine vom Smut, je einer zu den anderen. Sehr beengt, aber machbar. Ich kann bestenfalls sechs Mann aufnehmen, gab Berrzak durch.

Vierzehn Mann.

Hau wau, überstarke Besatzung. Das sprach von Umtrieben, ‚Kapitänausfall‘ war bei Piraten ein beliebter Notruf. Kein Schiff durfte seine Hilfe verweigern.

Hatte das mit Kandas Rufer zu tun? – Wohl kaum. Wer im Weffer steckte, empfing keine Signale.

Dreimalstark folgt euch, gab der Turm bekannt.

‚Tau ho, Freund Berrzak.‘‚Tau ho, Freund Masten.‘ Freund Masten war einer der wenigen, mit denen er sich ohne Hilfe der Türme austauschen konnte. Im ‚Schnackwinkel‘, wie ihn Freund Selden nannte, der diesen Ort entdeckt, auf der Flucht vor den Qualen des Kapitäns-Kom. Freilich kein Ort im räumlichen Sinne, Berrzak fehlte ein Wort dafür. Er entstand, wenn sich eins dorthin- und zugleich an den gewünschten Gesprächspartner dachte und ihm etwas sagte.

Der Verband entließ Hundebunt und Dreimalstark, noch überwachte ein Mittlander Turm ihre Steuerung. Die Konvoi-Verbindung blieb bestehen in Berrzaks Kom, zusätzlich öffnete sich die neue Route, untermalt vom Unmut eines der Kapitäne betreffs der anhaltenden Verzögerung.

Meldung von Bugond. Fängersturm im nördlichen Südwester.

Meldung von Zongdiesel. Hafenbetrieb blockiert, zwei Ka im Ehrenstreit.

Das Seewetter folgte, mehrere Kapitäne von Route fünf mahnten an, der Konvoi fahre verholtament noch immer verlangsamt. Kom-Kapitäne waren unterfordert im Konvoi, einer beschimpfte den Bierzeltsegler, prompt legte der Kollermaid-Spötter wieder los und forderte ein Lied. ‚Worüber?‘, hielten andere dagegen, erörterten die Ereignisschwelle für den Einsatz von Liedermachern. Die Rettungsfahrt von Berrzak und Masten schien keinen zu scheren, endlich schlossen die Türme die Verbindung.

Um Mitternacht rief er seine Männer. Vom Kajütendach sah Krah zu, wie sie an Deck kamen, sandte Töne, als daure ihn ihr Anblick. Pitt und Perri hatten Karten gespielt, Homme offenbar geweint, er trug Kummer um sein Mädchen im Rauschen. Der Smut roch nach Kräutern, er verweigerte das Brauen eines Röhrers. Nur Kanda hatte geschlafen, aufgeregt holte er sich bei Perri die Erlaubnis, mit zwergischer Stirnlampe in den Mastkorb aufzuentern. Geschickt genug, der Knabe. Aber was wollte er nachts im Ausguck?

◊ ◊ ◊

Neunter September, einige Zeit vor Mitternacht

‚Geh mir fort mit Plänen‘, sagte Kapitän Holler. ‚Ich hab dir geglaubt, und jetzt sieh mich an. Ich bin hinüber. Heut mittag, hatten wir ausgemacht, auf der Höhe von Zenheim, da machst du Menden unschädlich. Ich verständige die Vaudekla und bringe das Schiff in den Hafen. Wo warst du, Stimme?‘‚Krank.‘‚Eine Stimme wird nicht krank.‘‚Bin mehr als Stimme.‘Es gibt keine Stimme. Hier spricht der Leutholer.Nein, ich spreche.Wer spricht?‚Ruhe in der Denkstube!‘

Der erste Plan der Stimme hätte Holler befreit von Mendens Plan. Auch Kapitänen wurde schummrig vom Weffermacher, das hatte sie ihm bestätigt. Schließlich besaßen auch Kapitäne ein Rauschen, und ihr Kom war immer offen, und so etwas wie einen Kom-Schutz gab es nicht.

Wurde ein künstliches Wefferfeld ausgeworfen, spürte das ausnahmslos jeder unangenehm im Rauschen. Mannweffer nutzten diese Nebenwirkung und machten sie so stark, daß ihnen selbst Vaudekla nur als Patrouille widerstanden.

Also hätte sich Menden vor Zenheim vergebens auf den vermeintlichen Kom-Schutz verlassen, ihm wäre vorübergehend gar nicht gut gewesen. Weil er ausgerüstet war, hatte die Stimme gesagt, aber nicht mit einem Ersatz-Kom. Auch so etwas gab es nicht. Indes war Menden ein Sturkrebs, womöglich hätte es die Stimme trotzdem nicht geschafft, ihn – wie auch immer – zu überwältigen. Dafür hatten sie einen zweiten Plan besprochen.

‚Meine gute Jacke habe ich mit Omrak durchtränkt, um Menden den Suff vorzuspielen. Damit er keinen Verrat wittert und mich gewähren lässt, wenn das vor Zenheim nicht klappt und wir runter bis Vorland müssen. Tjahaha, und von dir kein Mucks heut mittag, die ganze lange Fahrt im Wefferfeld hab ich machen müssen, nichts hab ich tun können, und jetzt ist die Hundebunt unterwegs zu uns.‘

Die Stimme erwiderte nichts.

‚Die Blindfahrt hat mich viel Kraft gekostet‘, sagte Holler, ‚aus dem vorzutäuschenden Notruf ist ein echter geworden, weil ich beim Einholen vom Wefferfeld nicht bei mir war. Ich war erst wieder da, als es wieder ausgeworfen war, frag mich nicht, wie das vor sich ging. Ich kenne keine Kniffe, ich bin eine ehrliche Haut, hab Zeit meines Lebens nicht mehr Stunden im Fänger verbracht, als die Nachweispflicht für mein Einfaches Patent mir vorschreibt.‘ Schwitzend vor Angst und mit Lotse, aber das behielt er für sich.

‚Wir lavieren herum wie ein seekranker Wal‘, fuhr er fort. ‚Im Flachwasser zwischen Vorland und Mittland lasse ich mein schönes Schiff auf Grund laufen, so wars ausgemacht für den zweiten Plan, während du dich um Bootsmann und Mannschaft kümmerst. Heut morgen noch haben wir das beredet, nachdem ich mir das Dünnbier angeschaut hab.‘

Von wegen Dünnbier, das Fass stand kaum berührt. Die Mannschaft hatte mehrere Körbe mit Steingutkrügen an Bord geschmuggelt, unbemerkt im Chaos des Ladeguts. Derlei Gebinde wurden befüllt mit erlesenem Essig oder Würzöl, aber auch mit Hochprozentigem, in diesem Fall Tripomk. Triple-Omrak, dreifach konzentriert.

Nur wer ‚Tripomk’ weiß zu sagen, kann noch einen Schluck vertragen, so ging das Sprichwort. Die Mannschaft hatte sich diesen Stoff wie Tringster durch die Kehle orgeln lassen, ihr Sprechvermögen reichte bestenfalls noch für Tierlaute.

‚Warum schweigst du, Stimme? Seit Stunden versuche ich, in dieses verholte Flachwasser zu kommen. Immer wieder greift Menden ein. Er fängt vom Plan an, dann wirft mich einer aus meiner Denkstube, und mein Schiff macht sich ohne mein Zutun auf, südlich von Vorland zu kreuzen.‘

‚Stimme? Du sagst, Kapitän Berrzak ist dein Freund. Soll er nun doch zu Schaden kommen? Hilf mir, verholt noch eins. Derzeit halten wir wieder aufs Flachwasser zu, aber allein komme ich nicht an gegen Menden. Ich habe Aussetzer. Ich bin nicht immer ich.‘

‚Stimme?‘Holla!Hör auf zu greinen, alter Mann. Es ist noch Tripomk übrig, hol ihn dir.Hier spricht Kapitän Holler.‚Wer ist das?‘Ich, du Moschgoscher. Du kannst nicht mit körperlosen Stimmen sprechen im Kom, also lass es.

☆ ☆ ☆

In einem Winkel der Hollermaid fröstelte die Gestalt ohne Rauschen, die sich im Hafen kurz vorm Besuch des Kiekfischs an Bord geschlichen hatte. Im Schlaf zog sie die Decken zurecht, feucht seit Kazon, zur Freude des Austernfiebers, das sie in Schüben überkam.

Sie besaß durchaus ein Rauschen, aber es war willkürlich gedämpft. In voller Stärke ähnelte es nicht ganz dem der Vaudekla, und die Dämpfung wirkte auch als natürliche Abschirmung. Vielleicht rührte daher die sporadisch zu hörende Mär vom Kom-Schutz. Desweiteren ließ sich mit Dämpfung gut klabautern, denn Ringleute achteten vor allem auf das Rauschmuster. Sie neigten sehr dazu, Leute zu übersehen, die keines zeigten.

Im Traum rang der Schlafende mit Menden, Bootsmann der Hollermaid. Dem war er erstmals auf Kazon begegnet, hatte ihm das Handwerk legen wollen und war gescheitert. Seitdem pickte der Name in seinem Gedächtnis wie der Starenvogel an der Kirsche. Woher kannte er ihn. Da gab es den berühmten Altvorderen, den erbguterforschenden Läutrermeister Menden. Aber der war schon lange droben.

Der Schlaf wich einem halbwachen Grübeln, sein fieberdröhnender Schädel sagte dem Klabautergast nicht, es sei Eile geboten. Ohne recht zu wissen, warum, dachte er an den Zwergenkram, den ihm DennMutsch in sein Versteck gebracht hatte. In einem Lager auf Kazon, just als Mendens Bande dort einbrach. ‚Dragendöter versenkt‘, hatte ihm DennMutsch noch zuraunen können, bevor er die Flucht ergriff, und ‚Kampfbruder beschädigt‘.

Um seinen Kampfbruder und DennMutsch zu suchen, war der Klabautergast ausgezogen. Seinen Kampfbruder hatte er gefunden, konnte ihm nicht helfen, der würde klarkommen. Dem war eine Wesensart gegeben, auf die alle Völker ansprachen, wer ihn sah, hatte ihn gern. Von DennMutsch hatte er sich finden lassen, der war ihrer beider Lehrmeister gewesen, im Schiffsklabautern und in einer der althergebrachten Druntakampfarten.

DennMutschs Zwergenkram erinnerte ihn an einen Schiffsweffermacher, war aber klein wie ein Mannweffer. Weiter war er des Fiebers wegen nicht gekommen mit dem Untersuchen. Er arbeitete sich aus der Decke, zog den Rucksack zu sich, der ihm als Kopfstütze gedient, ertastete das richtige Seitenfach.

Keine klabauternden Hafenkinder an Bord, fiel ihm ein. Dem Abergläubigen galt das als Zeichen für kommendes Unheil, die Mannschaft hatte sich mit Tripomk gewappnet. Sie war längst hinüber gewesen, als er sich gegen Mitternacht endlich wieder bei Kapitän Holler hatte melden können.

Eh. Kapitän Holler. Was hatten sie besprochen? Die trübe Sicht hier unten sagte ihm, das Wefferfeld war noch ausgeworfen. – Beim All-Einen! Allmählich dämmerte ihm seine Lage, ein Fieberschub musste ihn aus dem Gespräch gerissen haben. Wie lang war das her?

Eilends löste er die Dämpfung seines Rauschens so weit wie nötig, genoss das Nachlassen der geistigen Dumpfheit, die mit der Abschirmung einherging. Mit seiner Ausrüstung konnte er in ein Schiffs-Kom gelangen, umso besser, wenn sich das Schiff im Weffer befand. Dann versuchte es ununterbrochen, Meldung an die Türme zu machen, bis es daran erstickte und überhaupt nichts mehr meldete, sodaß er sich beim Kontakt zum Kapitän wegen Entdeckung keine Sorgen machen musste.

Trotzdem sagte er dem Schiffs-Kom der Hollermaid, es habe ihn geprüft und von den Türmen als helfende Hand bestätigt erhalten. Es ließ ihn zu. Ah, eine Viertelstunde war vergangen, und wie es schien, lagen sie tatsächlich zwischen Mittland und Vorland. Im Wefferfeld, abgeschnitten vom Netzwerk, konnte er das nur anhand der verstrichenen Zeit und seiner Erinnerungen feststellen, und die mussten eingehängt werden, an etwas festgemacht, wie die Passkreuze der Kartenzeichner.

Das hatte er zuletzt vorm Ausscheren aus dem Verband getan, beim ersten Gespräch mit Kapitän Holler. Bis dort war es eine ziemliche Strecke. Seine Gedankenkarte war ungenau, das Fieber machte sie nicht besser.

Die Mannschaft konnte ihn jetzt spüren, wenn auch schwach wie den ersten Hauch der Abendbrise nach einem Sommertag. Wäre sie nüchtern, sie würde sein Rauschen für ein Produkt der Verzerrung durch das Wefferfeld halten. Oder das Schiff linksmachen nach einem Vaudekla.

Aber die Rauschmuster dieser Matrosen flimmerten wie ein Schwarm Glühfliegen im blühenden Honigdorn, vorerst war er sicher. Er wandte sich Kapitän Holler zu, der sehr erstaunt gewesen war, unversehens von einer freundlichen ‚Stimme‘ angesprochen zu werden. Holler kannte keinen Schnackwinkel, wie ihn Freund Berrzak nutzte, hatte sich trotzdem mit Freuden auf den Plan eingelassen.

Doch nun herrschte Schweigen auf seiner Seite. Kein Durchkommen, der wackere Kapitän Holler hatte mit seinen Kennungen gerungen, bis er das Schiff am rechten Ort wusste, es musste ihn alle Kraft gekostet haben. Was nun. Die Kunst, über den Kapitän hinweg in die Steuerung einzugreifen, beherrschten nur Freund Berrzak und einige andere. Ein fiebernder Drunta wurde allein nicht fertig mit Menden, der schleunigst die am wenigsten flimmernden Matrosen aufsammeln und auf ihn hetzen würde.

Holla, Menden. Auf den hatte er zu achten vergessen, noch immer blöde von der nicht völlig aufgehobenen Dämpfung. Er spürte ihn nicht in der Nähe, aber der würde aufpassen, der musste sich doch fragen, warum sein Kapitän beharrlich Richtung Küste strebte. Kein rettender Einfall wollte sich einstellen, konnte das Ding helfen, das DennMutsch gebracht hatte? Der wiederum musste einen Grund gehabt haben, wie die Bugwelle vor Mendens Plünderertrupp in sein Versteck gerauscht zu kommen.

Der Klabauterer, dessen Name DennDīnn lautete, zog DennMutschs Zwergenkram aus dem Rucksack. Mit solchen Werkzeugen machten die Ringvölker einander das Leben schwer, wenn er seine Kom-artige Ausrüstung darüberlegte, konnte er meist ihren Zweck erkennen. Sie zu handhaben bedurfte der Übung, geschwächt vom Fieber schaffte er das womöglich nicht. Erst mal schauen, wofür dieses hier gedacht war.

◊ ◊ ◊

Zehnter September, halb ein Uhr nachts

Kapitän Berrzak bereitete sich frohgemut darauf vor, die Steuerung ganz zu übernehmen. Wann hatte er dazu je Gelegenheit außerhalb eines Fängers.

Die Hundebunt näherte sich Vorland, bald brauchte er seine Kom-Stützen, er tat den Männern Bescheid, fuhr zusammen. Ohne Vorwarnung hatte sich Kandas Rufen um etliches verstärkt, trotzdem bekam er das Rauschmuster des Knaben nicht mehr klar zu fassen. Hockte Kanda noch im Ausguck? Berrzak musste hinschauen, um sich den Eindruck zu bestätigen. Er hat Zwergenkram dabei, der ihm den Schädel noch mehr verbiegt. Zwecks Verwirrung des Kapitäns? Blauäuigig. Desorientierung durch Störquellen wurde ausgiebig geübt auf den Kapitänsschulen. Werde mir das Ding sichern, sobald er abentert.

Meldung an Hundebunt, Meldung an Dreimalstark. Notruf Hollermaid. Suche auf Sichtfahrt entfällt.

Hauwau. Ihr habt zu tun, lasst mich selbst steuern, sagte Berrzak.

Negativ.

Keine Begründung. Mit einem Seufzer nahm Berrzak Abschied vom Abenteuer und gab die Änderung an Perri weiter.

Die Unglücksstelle befand sich zwischen Vorland und Mittland und wurde in ihrer Gänze überblickt von Mannheim, dem für seinen geräucherten Ziegenkäse und die malerische Steilküste bekannten Dorf.

„Positionslichter!“ Homme.

Die Hollermaid. Ihr Schiffs-Kom war tot, das grüne Licht hing deutlich höher als das rote. Was sollte das werden? „Perri! Strahler in den Ausguck!“

Berrzak forschte nach dem Hollerschen Kapitäns-Kom, das er aus der Konvoi-Verbindung kannte, machte es aus als Schmerzmuster. Beschädigt, aber anders als seines nach dem Angriff auf die Dragendöter. Kapitän Holler war nicht bei Bewusstsein.

Im Näherkommen spürte er Rauschmuster, enthaltend Trunkenheit und andere Verwirrung, alles überlagert von Kandas allgemach doch sehr penetranten Rufsignalen. Menschliche Rufe von der Hollermaid vernahm er keine. Die mussten doch die nahende Hilfe spüren, längst schon gesichtet haben.

„Bleib halt unten, wenn du krank bist.“ Perri, im Mastkorb. „Verholtament! Halt das fest oder mach Platz.“

„Tölpfisch, verhurter.“ Kanda klang verzweifelt.

„Ruhe im Ausguck! Suchstrahl!“, forderte Berrzak.

Perri fluchte, Kanda fluchte. Gemurmel. Ein gelbliches Rechteck witschte über den Bug weg, kam auf dem Wasser zur Ruhe, als Perri mit dem Strahler die Bewegungen der Hundebunt ausglich. Das Licht wanderte über Wasser, Wasser, undefinierbare Trümmer in Wasser, Fels, zerbrochene Planken, Bordwand. Davor schwamm eine Gestalt im Rettungsring, Träger des beschädigten Kom.

Kanda kreischte frauenschrill, schlagartig wurde sein Rufen leise. Zugleich raste das Licht davon, Perri fluchte, brachte es zurück.

„Dieseit!“, diesmal kreischte Homme, „das ist der Stolze Mann!“ Eine Felsformation im Flachwasser, Homme hatte als Halbspannenhoch viel gekichert über den steinernen Lund.

„In unguter Vereinigung.“ Pitt, tonlos vor Verblüffung.

‚Siehst du das auch?‘, fragte Freund Masten im Schnackwinkel.

Weiterlesen?

zurück ← ↑ hinauf → weiter