Auf Schatzfahrt. Roman.

9. Nichts und Koch

Siebter September, Kazon

Im großen Gastraum dräute die Fackelwand, verrußt wie eh und je. Hinter der Theke wirbelte der Hundwirt, das Mögacht hatte Kapitän Berrzak unterwegs mit ihm getauscht. Unnötig, jetzt Begrüßung zu spielen.

Wo Tine die Wesensart ihres verschollenen Ersten entdeckt, hockte wie zum Ausgleich die wandelnde Wackerkeit. Neben Hetten saß einer von außen, mit der Andeutung eines-

Ein Aufwallen von Kummer überspülte Berrzaks Eindruck. Seit er die Dragendöter erworben und als freier Kapitän fuhr, traf er sich im Bunten Hund zu Kazon Stadt mit seiner festen Mannschaft.

Vom Hundwirt kam Mitgefühl, es gab Berrzak noch mehr Schlagseite. Besser setzen. An den Tisch im Durchgang zum Lager, ein Vorrecht besonderer Gäste, der Hut kam hochkant an die Wand. Vor der Tür hatte er zwei Kapitänsbecher Regen aus der Krempe laufen lassen.

Zur Erheiterung des Kochs, der ein Gesuch hatte anschreiben wollen, und der aussah wie ein Drunta. So hießen die Verwandten der von den Klainen, die auf den Ringinseln als Sagengestalten galten. Das Gerede von verstoßenen Vaudekla nutzten die Drunta, um unerkannt ihre Siedlung bei Fischnetz auf Klein Waal zu unterhalten. Stücker zweihundert Meilen südlich davon betrieben sie einen ausgewachsenen Stützpunkt, wie lange schon, das wusste der Geier.

Drunta sagen ‚Schabes‘ zur Pflanze Geierweiß.

In der Tat, wenn auch hier nicht von Belang, und auf dem Stützpunkt blieben sie unter sich, beim Forschen, oder was auch immer ihre Ziele sein mochten. Drunta hielten sich gern bedeckt, Freund DennDīnn machte da keine Ausnahme, und einen Vaudekla brauchte eins auch nicht zu fragen. Kein von den Klainen ließ sich vor Leuten außerhalb seiner Kaste anmerken, daß er um die Anwesenheit der Drunta wusste.

DennDīnns Leute hatten Berrzak in Fischnetz aufgesammelt, ihr Kapitän war als Gastkennung im Schiffs-Kom der Hundebunt vermerkt. Erst gegen Ende der knapp zwei Tage Fahrt nach Kazon hatte Berrzak aufstehen, kurz mit ihm reden können.

Durch die geschlossene Kabinentür, denn Berrzak trug das Austernfieber noch in sich. Einem Drunta spielte es tagelang übel mit, Vaudekla erkrankten nicht daran. Das zeugte von der langen Trennung der beiden Völker, auch konnten die von den Klainen ihr Rauschen nur kurz verbergen, ein Drunta schier unbegrenzt.

Vom Kapitän hatte Berrzak erfahren, DennDīnn suche zwei Leute, der jüngere sei ‚verspielt, aber verlässlich‘. Konnte das dieser Koch sein? Vor dem Unglück der Dragendöter hätte Berrzak ihn geradeheraus gefragt, aber solange das nicht geklärt war, hielt er sich zurück.

Dem Äußeren nach gehörte der Koch zweifellos zu den Drunta, aber mit seinem Rauschmuster stimmte etwas nicht. Es wirkte auf ungewohnte Art gedämpft, als könne er seine Abschirmung nicht aus eigener Kraft wieder aufheben, und da war noch etwas, das sich Berrzaks Begreifen entzog. Hatte ihm das jemand angetan? Zwei Punkte beschreiben die Gerade. Zwei besondere Rauschmuster. Erst der Fremde, nun der Koch.

Da kam er, guter Dinge und mit zwei Portionen Bunter Hund. Nur eine davon stellte er vor ihn hin, schweigend fiel Berrzak darüber her. Ein Schwall Zugluft traf ihn im Rücken, mit den Gästen schwebte Krah herein. Landete auf grellem Blau, machte sich lang nach dem Eintopf.

Der war gut, Berrzak hob die Brauen als Zeichen seiner Anerkennung, blickte vom Überzieher des Schiffskochs zu den Paprika auf seinem Löffel. Traditionell schnitten Ringleute sie in Vierecke, angeblich kam das von Flaggensignalen aus der Zeit der Segelschifffahrt.

„Ich mag Streifen.“ Der Koch lächelte. „Auch wenn ich frei hab. Du trägst eine Bordkluft?“

Berrzak winkte ab und aß weiter, kein Reden vor satt.

Tatsächlich genügte die kleine Schale, er schob sie Richtung Mantel, der Koch stellte seine daneben. Krah würdigte sie keines Blickes, flatterte auf ein Bündel Fackeln, das aus einer Mauernische ragte.

Berrzak betrachtete den Koch. „Wie heißt du? Unter wem bist du zuletzt gefahren?“

Das Lächeln des Kochs verschwand. „Sie nennen mich hier den ‚Smut‘, nach meiner Berufung. Ich bin nichts und Koch.“

Ein Goscher? „Erkläre dich.“

„Ich habe mein Gedächtnis verloren.“

Was log der? Angesichts eines Kapitäns. Eigenartig.

Der Smut schlug die Augen nieder vor seinem Blick, räusperte sich, erzählte von einem Zelt auf einer Wiese, vom Krugwirt.

„Du gehst mit auf Fahrt“, bestimmte Berrzak. Dieser Koch taugte trotz allem gut als Kom-Stütze, den Preis der Neugier zahlte Berrzak, falls etwas nicht stimmte mit ihm.

„Korr.“ Krah schleuderte einen grünen Streifen von sich, hechtete hinterher.

„Wirst es nicht bereuen.“ Der Smut sprach wieder mit der Gelassenheit eines Menschen, der sich seines Könnens bewusst war. „Lass uns die Heuer abklären.“

„Keine Heuer, wir gehen auf Schatzfahrt. Ich garantiere den ortsüblichen Anteil für Smutje und Lotse. Wir nehmen hier Ladung auf für die ersten Tage, fassen Großvorrat auf Rabazon. Fertig ausgestattet wird die Hundebunt bei mir daheim auf Oosland, vielleicht hast du gehört von der Burgzinnenbucht. Von dort geht es zu den Kalkinseln.“ Die schwierigste Route im Ring.

„Ich wohne noch im Krug“, sagte gänzlich unerschüttert der Smut. „Dem Heiler schulde ich, was ich nicht hab abarbeiten können, der Krugwirt hat es ausgelegt. Karre und Kiste stehen beim Pfandleiher.“

Vielleicht wusste er wirklich nicht, was es mit dieser Route auf sich hatte. „Ich mache dich morgen klar“, sagte Berrzak. Sie schlugen ein, Berrzak legte Kuller auf den Tisch, ein paar mehr fürs Extra. „Meine feste Mannschaft sollte bereit sein, ich bin ein paar Tage zu spät. Komm morgen früh und schau dir die Kombüse an, da fehlt es an Ausstattung.“ Im Aufstehen griff er nach dem Mantel, sah die Suppenschalen, beide leergepickt.

Der Smut stellte sie aufeinander. „Mögacht, Kapitän Berrzak.“

„Mögacht, Smut.“ Berrzak nahm den Regensammler an sich, im Eingang hielt er die innere Tür mit dem Fuß fest, zog die äußere auf. Neben Hetten spähte der Fremde herüber, aus dem Fackelwandruß löste sich ein Schemen, flatterte an ihm vorbei nach draußen.

☆ ☆ ☆

Tines Erster war Seemann gewesen, in der Zeit ohne ihn spendete ihr ein verschmuster Kater Trost. Kam der Erste nach Haus, gabs für Meister Murr nur Flüche und Tritte, denn der Kater ließ sich ungern aus dem Bett vertreiben. Schließlich verschwand er, entlaufen, wie Tine glaubte.

Über die Wesensart ihres Ersten machte sie sich damals keine Gedanken, doch einige Jahre später wurde sein Schiff als verschollen gemeldet. Tine gab ihr Erspartes dran für einen Ankertrost, die sogenannte ‚Anrufung für ungeläuterte Eheleute‘. Auch Tine selbst war ungeläutert, daher musste sie ihren Anker im Bezirk abgeben und draußen warten, während der zuständige Läutrermeister das Ritual alleine vollzog.

Dreimal war sie dort. Dreimal hieß es, ihr Gatte habe sich nicht gemeldet. Aus Sicht des Läutrermeisters lag das an seiner schweren Seele, aber Tine gab nichts auf derlei Reden. Ihr Erster war nie sonderlich gesprächig gewesen.

Gern hätte sie eine gesicherte Anrufung bestellt, doch dafür würde sie lange sparen müssen. Wahlweise konnte sie sich für ein Jahr den Läuterern verschreiben, um erst die eigne Seele leichtzumachen, und dann die ihres Ersten, damit er in die Jenseitige Zeit aufsteigen und sie endlich mit ihm reden konnte. Die zweite Möglichkeit erwog sie allabendlich überm Omrak, dabei kam sie ihrem Nachbar näher, dem Hundwirt.

Nach der Hochzeit ließ der Hundwirt zwei Wände durchbrechen und erweiterte seinen Gastraum um Tines Haus. Im Winkel zur zukünftigen Kammertheke gab das Mauerwerk zu weit nach und legte einen Hohlraum frei. In seinen Trümmern fand sich nebst den Überresten eines Tieres ein ledernes Halsband, das Tine sofort erkannte.

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